Eredoctoraat prof. dr. ir. W
Baarda
Laudatio o. Professor Ir. Willem Baarda
Op 5 november jl. is aan prof. Baarda het eredoctoraat
van de Universiteit Stuttgart verleend.
Naast de vele Nederlandse en Duitse geodeten woonden
ook vele anderen, waaronder prof. Bjerhammar uit Zwe
den, dr. Brunner uit Oostenrijk en dr. Remmer uit Dene
marken, de feestelijke bijeenkomst bij.
Na een welkomstwoord van de Rector Magnificus, prof.
dr.-ing. H. Zwickel, sprak prof. dr.-ing. E. W. Grafarend,
hoogleraar aan de Geodetische Faculteit van de Univer
siteit Stuttgart de laudatio uit. Hierin werden prof. Baar-
das grote verdiensten voor de internationale geodesie
aangegeven.
Na de uitreiking van de bul sprak prof. Baarda zijn dank
woord uit. De bijeenkomst werd afgesloten met een
receptie en een gezamenlijk diner.
In verband met de bijzondere plaats die prof. Baarda bin
nen ons vakgebied inneemt, zijn prof. Grafarends lauda
tio en prof. Baardas dankwoord hierna onverkort opge
nomen.
(uitgesproken door prof. Grafarend)
Hohe Festversammlung,
Wir sind heute zu einem besonders festlichen, universitaren AnlaB
zusammengekommen. Wir mochten Herrn Professor Ir. Willem
Baarda von der niederlandischen Technischen Universitat Delft mit
der Ehrendoktorwürde unserer Universitat auszeichnen, unseren
hochgeehrten niederlandischen Kollegen gewissermaBen als unse
ren Doktoranden gewinnen.
Die Ehrenpromotion ist seit alters her verbrieftes Recht der Univer-
sitaten auf höchste akademische Ehrung. Dazu sagt die Promo-
tionsordnung der Universitat Stuttgart u.a. in 13: Die Verleihung
der seltenen Auszeichnung Grad und Würde eines Doktors Ehren-
halber setzt hervorragende technisch-wissenschaftliche Leistungen
voraus.
Mit unserem geodatischen Kollegen, Herrn Professor Ir. Willem
Baarda, ehren wir einer Wissenschaftier. 1st es noch zeitgemaR,
den Begriff Wissenschaft, die Wissenschaft treibende Persönlich-
keit hervorzuheben? Oder ist nicht die Einstellung unserer Gesell-
schaft gegenüber dem Wissenschaftier schlechthin die wahre, d.h.
ablehnend-kritische? Machen wir uns doch nichts vor: Die Massen-
produktion unserer hohen Schulen von wissenschaftlich ausgebil-
deten Studenten und von sog. Wissenschaftlern hat zu einer tota
len Abwertung von klassischen WertmaBstaben in unserer Gesell-
schaft geführt. Der Wissenschaftier gilt nicht mehr viel.
Suchen wir nach den Ursachen dieser bedauerlichen Entwicklung,
so mussen wir in zweierlei Richtung Nabelschau zu halten. Einmal
erleben wir doch alle in den Medien, wie sog. Wissenschaftier Rat
zu komplizierten Problemen erteilen, in vereinfachender Form und
verzerrend. Scharlatane verschiedener Wissenschaftsdisziplinen
sind wesentlich dafür verantwortlich, daR unsere Gesellschaft ihren
seinerzeitigen aufklarerischen Glauben an die Wissenschaft verlo
ren hat. Hang zu neuer Pseudo-Religiositat und zum Sektierertum
sind dafür Beleg. Doch nicht nur die auRere Wirkung von Pseudo-
Wissenschaftlern hat zu einem derartig schlechten Bild des Wis
senschaftiers in der Öffentlichkeit geführt. Schauen wir doch in das
innere Feld, das Umfeld unserer eigenen Fachdisziplin, der Geoda-
sie. Der Wissenschaftsmanager hat doch das Sagen. Der enga-
gierte Einsatz und das Ringen um Forschungsmittel, um Stellen
und um EinfluR hat doch einen Wissenschaftstyp gepragt, gewis-
sermaRen gezüchtet, der auch Nahrboden für das Gesellschafts-
verstandnis des Wissenschaftiers ist. Entsagungsvolle Hingabe an
ein wissenschaftliches Problem ist doch heute nicht mehr gefragt.
1st es nicht so, übertrieben formuliert, daR die Anzahl der Fernseh-
auftritte und der Gesprache mit Politikern heute zahlen? Es ist hier
und heute nicht der Raum und die Zeit, die nur angerissenen Pro-
bleme zu vertiefen. Immerhin geben sie den notwendigen Rahmen
der Einbettung eines Wissenschaftiers qualitatis Willem Baarda.
Gestatten Sie mir, daR ich Ihnen nun in aller Kürze unseren geoda
tischen Kollegen Willem Baarda in seinem Lebensweg vorstelle, um
dann ausführlicher auf sein grandioses wissenschaftliches Werk
eingehen zu können.
Die Uratmosphare, in der Willem Baarda expandierte, kann wie
folgt beschrieben werden: Geburt im Jahre 1917 in Leeuwarden,
Provinz Friesland, Besuch des mathematisch-naturwissenschaft-
lichen Gymnasiums in Den Haag, Studium des Vermessungswe-
sens an der Technischen Universitat Delft; erste Tatigkeit als Ver-
messungsingenieur bei den Katasteramtern in Den Haag und in
Zwolle, dann bei der niederlandischen Reichstriangulation,
schlieRlich Ruf als ordentlicher Professor an die Technische Univer
siteit Delft im Alter von 34 Jahren.
Was sich im einzelnen hinter diesen Lebensstufen verbirgt, wird
Willem Baarda uns selbst sagen. Für uns Stuttgarter ist es beson
ders reizvoll, ihn mit unserem letzten geodatischen Ehrendoktor
aus dem Jahre 1961, dem kürzlich verstorbenen hannover'schen
Professor Dr. muit. Walter GroRmann, in Verbindung zu bringen.
Was hat sich nicht alles in den letzten zwanzig Jahren in der geoda
tischen Wissenschaft getan! Damals befand sich die Geodasie
noch in der lokalen Phase, gezwungenermaRen, denn MeRinstru-
mente, Sensoren mitweiterem geodatischen Horizont fehlten. Ent-
weder glaubte der Geodat an die Ebene als seine Bezugsflache oder
an das Ellipsoid. Geodasie war zerteilt in die Klasse der Lagemes-
ser, ausgedrückt in ellipsoidischer Lange und Breite, verwissen-
schaftlicht in Begriffen wie geodatische Linie und zwei geodatische
Hauptaufgaben, und in die Klasse der Höhenmesser, wissenschaft
lich gefaRt in Begriffen wie orthometrische Höhe und „mittelalter-
liche" Formeln des Englanders G. G. Stokes und des Niederlanders
F. A. Vening-Meinesz. Der Geodat gab das Bild eines Datensamm-
lers ab, der Integrale in Summen, geordnet in innere und auRere
Zonen,.umschrieb. Welch eine Revolution in der Geodasie seit den
60iger Jahren. Neue MeBmittel wie künstliche Satelliten leiteten
einen totalen UmdenkungsprozeB ein: Geodasie ist heute drei-
dimensional; kaum noch ein Geodat spricht von der seinerzeitigen
sog. Mathematischen Geodasie, der Geometrie des Ellipsoides.
Punkte an der Erdoberflache und im erdnahen Raum werden jetzt
in einem geozentrisch gelagerten, an der Rotationsachse der Erde
ausgerichteten Bezugssystem „cartesisch" angegeben. Inzwi-
schen ist dank der Satellitenaltimetrie die Meeresoberflache der am
besten ausgemessene Teil des Randes des Planeten Erde. Geo-
dynamische Fragestellungen im globalen Bereich und Fragen der
Deformation der Erdoberflache im kleinen Bereich stehen heute im
Vordergrund. Relativistische Effekte werden geodatischerseits auf
Grund der ungeheuer genauen geodatischen MeBsensoren wie
Laser genauestens studiert. Und welch unglaubliche Entwicklung
hat es in den Bereichen der Verarbeitung geodatischer MeBdaten
gegeben. Hier sprechen sog. Totalstationen als Wunderwerke
Prof. Zwickel overhandigt prof. Baarda de bul; rechts prof. Graf
arend.
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