Geheimmaterials der Sowjetunion werden die genannten Zahlen somit sehr zu
korrigieren sein.
Diesen konkreten Karten stehen Kartenhypothesen gegenüber, wenngleich der
Grad von Hypothesen bei den auf Fernrohr- oder Teleskopbeobachtungen be
ruhenden Darstellungen zwangsläufig noch groß ist. Als hypothetisch sind im
Grunde deshalb auch die Marskarten des ACIC anzusprechen, auch wenn auf
Grund der technischen Fortschritte eine Gegenüberstellung der ersten Marskarte
der deutschen Astronomen w. beer und j. h. von maedler aus dem Jahre 1840 zu
der von 1968, publiziert in St. Louis als 'MEC 2, Mariner 69 Mars Chart', sich von
selbst verbietet.
Hypothetische 'Karten' können heute indessen auf eine Weise gewonnen werden,
die der nachmaligen echten topographischen Karte im Prinzip nahe kommen, zu
mindest unsere weiteren Forschungen beeinflussen kann. Mittels Radar ist es be
kanntlich möglich, fernere oder gar ferne Körper abzutasten und aus den Impuls
differenzen gewisse Vorstellungen über eben jene Körper abzuleiten. Ein solches
Verfahren wurde für die ersten tastenden Schritte zur 'Kartographierung' der
Venus beschritten, wie die nachstehenden Abbildungen ausweisen. Denn während
der Mars, der 'rote Planet' (so genannt wegen seiner vermuteten 'verbrannten'
Wüstenei an der Oberfläche), z.B. über eine extrem dünne Atmosphäre verfügt, die
dem astronomischen Einblick weniger Widerstand entgegensetzt, besitzt die als
'heiß' vermutete Venus eine so extrem dichte Atmosphäre, und so 'dicke' Wolken
gürtel, daß dieser Planet von der Erde aus mit astronomischen Fernrohren bzw.
Teleskopen überhaupt nicht einsehbar ist. Ganz andere Wege sind deshalb zur Ge
winnung von Oberflächenbildern der Venus einzuschlagen. Da dieser Planet von
undurchsichtigen Wolkenmassen dauernd umgeben ist, müssen Radioastronomen
versuchen, das Oberflächenbild durch Abtastung mittels Radar-Strahlen zu ge
winnen. Im August 1967 entstand als Ergebnis des damals größten Radioteleskops
der Erde in Arecibo auf Puerto Rico ein kugelförmiges Gesamtbild mit relativ
schwachem Ausdrucksvermögen. Wesentlich erfolgreicher waren die Wissen
schaftler des 'Jet Propulsion Laboratory' in Pasadena, Kalifornien, USA. Auch
diese 'Karte' ist keine echte kartographische Darstellung. Aber sie verrät uns doch
schon mehr über Dimensionen und Niveauunterschiede, die den Menschen dort
erwarten würden. Der Ausschnitt vermittelt drei große Bodenformationen, die in
sechsjähriger Radar-Beobachtung eruiert wurden. Das auf der Nordhälfte der
Venus gelegene Aieal mißt mehr als 410000 km. Es ist indessen ungeklärt, ob diese
Bodenformation Krater, Geröllbereiche oder Gebirge bedeuten - dazu könnten
uns nur Photosonden Genaueres übermitteln. Deren Einsatz ist sowohl seitens der
UdSSR als auch seitens der USA vorläufig noch ungewiß, für die 70er Jahre aber
zu erwarten.
Zusammenfassung und Ausblick
Kehren wir abschließend zu der Frage zurück, die am Beginn des Vortrages ge
standen hat - die Frage lautetHaben wir echte und neue Aufgaben in Wissen
schaft und Praxis für und in der Weltraumforschung auf kartographischem Sektor
vor uns? Wir stellen dazu fest:
1Die Aktivität des Menschen im Weltraum eröffnet den Erdwissenschaften neue
Perspektiven
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Weltraum-Kartographie
K.N.A.G. Geografisch Tijdschrift III (1969) Nr. 5