UEBER DIE ENTWIGKLUNG DER
VERMESSUNGSINSTRUMENTE
I^oirz vor dem ersten Weltkrieg ist
eine sehr interessante Neuerung an Nivellierinstrumenten bekannt ge
worden: die Koinzidenzlibelle von Heinrich Wild. Wir alle kennen
heute diese Einrichtung, welche die Halften der Blasenenden einer
Libelle zusammenspiegelt. Die Blasenhalften berühren sich an einer
feinen Trennungslinie, und die Libelle spielt dann ein, wenn sich die ge-
krümmten Umrisslinien der Blase zu einem stetigen Bogen schliessen.
Die Vorteile gegenüber der offenen Libellenblase mit einer Hilfsteilung
zum Abschatzen der Symmetriestellung der beiden Blasenenden sind von
grosser Bedeutung. Die Koinzidenzlibelle vermeidet mit Sicherheit jeden
Irrtum des Einstellens; die Blasenenden müssen zusammenfallen. Ueber-
dies werden sie genau gleichzeitig beobachtet, was nicht möglich ist,
wenn sie wie bei der offenen Libelle auseinanderliegen. Die Praxis hat
gezeigt, dass bei gleicher Empfindlichkeit die Einspielgenauigkeit der
Koinzidenzlibelle sechsmal grosser ist als die der offenen Libelle.
Temperaturanderungen verschieben die Enden der Koinzidenzlibelle im
gleichen Sinn und um denselben Betrag und haben deshalb keinen Ein-
fluss auf die Koinzidenzeinstellung.
Das Zusammenspiegeln auseinanderliegender Stellen hat andernorts
eine noch grössere Bedeutung erlangt, namlich bei der Kreisablesung von
Theodoliten. Diesen Gedanken zu verwirklichen war eine der grössten
Erfindungen von Heinrich Wild, denn er erreichte damit, die Kreisable
sung von Sekundentheodoliten gleichzeitig zu vereinfachen, zu beschleu-
nigen und die Genauigkeit zu steigern. Dazu traf er noch eine ganze Reihe
konstruktiver Massnahmen, die schliesslich zum Wild-Theodolit führten.
Besondere Kennzeichen dieser modernen Instrumente, die heute allgemein
optische Theodolite genannt werden, sind zylindrische Stehachsen aus
gehartetem Stahl, Fernrohre mit Innenfokussierung, Kreise aus Glas, ein-
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VON E.BERCHTOLD, HEERBRUGG