321 geht seine eigenen Wege und formt Wortgebilde, die zuweilen von der iiber- heferten Schreibweise stark abweichen. Das erste Glied des Namens Escholz- matt steht dem Genetiv des altdeutschen Personennamens Ascolt (Ascoltis) noch nahe (abgesehen von der ungenauen Schreibung des Anlauts und der ungewohnten Wiedergabe der Lautverbindung ts). Der Volksmund hat den Namen zu Aschlismatt umgeformt (wobei der echte Vokal bewahrt ist). Man erinnere sich an die zahlreichen Ortsnamen mit dem Grundwort- wil, das in der Mitte steht zwischen dem altdeutschen willare und den mundartlichen Entwicklungen zu -welj-u, -bel/-bu, -mellmu (Huttwil/Hullu, Lolzwil/Lotzbu, RuswiljRusmu), an die Namen auf -ingen/-igen oder -ikon, deren Auslaut haufig zu -ige und durchgehend zu -ike abgeschwacht wurde. Ahnlich erklaren sich von der historischen Schreibform abweichende Sprechformen, wie Cham/ Chom, Urseren/Urschele, Schleitheim/Schlaie, Rafz/Afs und Afzg, Mosnangj Moslig, Rümlang/Rümlige, Nenzlingen/Anzlige, Trasadingen/Traadinge, Engstringen/Eistringe, Münster/Metischter, Bonstetten/Bouslette. Historisch gebunden ist besonders die Schreibung der alten Siedlungsnamen, obschon es auch hier nicht an mundartnahen Schreibformen fehlt; man denke an die Namen auf -igen und -iken in den Kantonen Bern, Solothurn und Aargau und an manche Einzelfalle, wie Diegten aus Dietkon, Villmergen aus Vilma- ringen, an Tenna in Graubiinden aus Tennen. Dagegen pragt sich die Mundart starker in den Gelandenamen aus, die, insbesondere in den Alpen, spater und seltener schriftlich fixiert wurden. Hier erscheint eine Fiille von alten Bauernwörtern mit Wortbildungen und Lautvorgangen, die das Namengut oft ratselhaft erscheinen lassen: Asch, Ammet, Grindel, Wi(c)hel (Winkel), Wall WaldHollen (Halden), Bilg (Bild), HeldlHell (Höll), Binn (Bïmd), Chinechale-Balm. Die Umdeutung entsteht aus der weitverbreiteten Neigung, dunkeln Namen durch Anlehnung an ahnliches, bekanntes Sprachgut einen Sinn zu geben, in der Meinung, die Namen müssten irgendwie zurechtgeformt werden, um mundartliche Laute und Formen allgemein verstandlich zu machen und angemessen wiederzugeben. So entstanden zahlreiche sachlich und sprachlich unzutreffende KonstruktionenHospental (Ospidal), Gelterkinden (-inge), Othmarsingen (Otmissinge)Erdbrunst (Erdbrust), Windspillen Wispile Wallenstadl (Walenstad), Buchsee (Buchsi), Braunwald (Bru(nn]wald), Neun- forn (Nüfere), Kalchrain (Chalchere), Schafisheim Schafiseaus Schafhusen), Schüpfheim (Schüpfe), Degersheim (Tagersche), Kehrsiten (Chirschete), Mur- genthal (i der Murgete), Marthalen (Martele), Schöftland (Schöftle). Die Verhochdeutschung verführt namentlich Ortsfremde leicht zu falscher Aussprache von Lokalnamen, so dass bodenstandige Formen in Ver- gessenheit geraten. Der Flussname Reuss ist z.B. in seiner mundartlichen Form Rüss, die in den Kantonen Luzern, Aargau und Ziirich gang und gab ist, in andern Teilen der Schweiz weniger bekannt. Ein Siedlungsname Kusen wird von den Zugezogenen haufig nach dem Schriftbild, nicht nach der boden- standigen Mundart (im Chuese) ausgesprochen. In Registern, Planen und Kar- ten finden sich Namenformen wie Wite (wo Witi gesprochen wird), Reute, Reuti (in der Ostschweiz), Scheur, ferner unschöne Verbindungen wie Scheuer- hüsli, Mühlebachliein regelloses Durcheinander von der Mundart angepass- ten, halb oder ganz verhochdeutschten Namen (Schibegütsch, Hdusli, Teufelsküche). Diese Missstande können nur behoben werden, wenn bestimmte Grund- satze und Schreibregeln aufgestellt und befolgt werden. Diese Regeln bilden notgedrungen einen Kompromiss zwischen schriftsprachlicher, traditioneller und mundartlicher Schreibung und kommen in manchen Einzelheiten mehr den praktischen Bedürfnissen und dem sprachlichen Taktgefühl entgegen als wissenschaftlicher Folgerichtigkeit und strengen Prinzipien. Grundsatze i. Mit der Schreibweise der Lokalnamen ist die eindeutige und überein- stimmende Bezeichnung der Örtlicbkeiten bei jedem schriftlichen Gebrauch anzustreben; die Namen sollen leicht zu schreiben und zu lesen sein und von

Digitale Tijdschriftenarchief Stichting De Hollandse Cirkel en Geo Informatie Nederland

Tijdschrift voor Kadaster en Landmeetkunde (KenL) | 1957 | | pagina 51