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geht seine eigenen Wege und formt Wortgebilde, die zuweilen von der iiber-
heferten Schreibweise stark abweichen. Das erste Glied des Namens Escholz-
matt steht dem Genetiv des altdeutschen Personennamens Ascolt (Ascoltis)
noch nahe (abgesehen von der ungenauen Schreibung des Anlauts und der
ungewohnten Wiedergabe der Lautverbindung ts). Der Volksmund hat den
Namen zu Aschlismatt umgeformt (wobei der echte Vokal bewahrt ist). Man
erinnere sich an die zahlreichen Ortsnamen mit dem Grundwort- wil, das in
der Mitte steht zwischen dem altdeutschen willare und den mundartlichen
Entwicklungen zu -welj-u, -bel/-bu, -mellmu (Huttwil/Hullu, Lolzwil/Lotzbu,
RuswiljRusmu), an die Namen auf -ingen/-igen oder -ikon, deren Auslaut
haufig zu -ige und durchgehend zu -ike abgeschwacht wurde. Ahnlich erklaren
sich von der historischen Schreibform abweichende Sprechformen, wie Cham/
Chom, Urseren/Urschele, Schleitheim/Schlaie, Rafz/Afs und Afzg, Mosnangj
Moslig, Rümlang/Rümlige, Nenzlingen/Anzlige, Trasadingen/Traadinge,
Engstringen/Eistringe, Münster/Metischter, Bonstetten/Bouslette. Historisch
gebunden ist besonders die Schreibung der alten Siedlungsnamen, obschon
es auch hier nicht an mundartnahen Schreibformen fehlt; man denke an die
Namen auf -igen und -iken in den Kantonen Bern, Solothurn und Aargau
und an manche Einzelfalle, wie Diegten aus Dietkon, Villmergen aus Vilma-
ringen, an Tenna in Graubiinden aus Tennen. Dagegen pragt sich die Mundart
starker in den Gelandenamen aus, die, insbesondere in den Alpen, spater
und seltener schriftlich fixiert wurden. Hier erscheint eine Fiille von alten
Bauernwörtern mit Wortbildungen und Lautvorgangen, die das Namengut
oft ratselhaft erscheinen lassen: Asch, Ammet, Grindel, Wi(c)hel (Winkel),
Wall WaldHollen (Halden), Bilg (Bild), HeldlHell (Höll), Binn (Bïmd),
Chinechale-Balm.
Die Umdeutung entsteht aus der weitverbreiteten Neigung, dunkeln
Namen durch Anlehnung an ahnliches, bekanntes Sprachgut einen Sinn zu
geben, in der Meinung, die Namen müssten irgendwie zurechtgeformt werden,
um mundartliche Laute und Formen allgemein verstandlich zu machen und
angemessen wiederzugeben. So entstanden zahlreiche sachlich und sprachlich
unzutreffende KonstruktionenHospental (Ospidal), Gelterkinden (-inge),
Othmarsingen (Otmissinge)Erdbrunst (Erdbrust), Windspillen Wispile
Wallenstadl (Walenstad), Buchsee (Buchsi), Braunwald (Bru(nn]wald), Neun-
forn (Nüfere), Kalchrain (Chalchere), Schafisheim Schafiseaus Schafhusen),
Schüpfheim (Schüpfe), Degersheim (Tagersche), Kehrsiten (Chirschete), Mur-
genthal (i der Murgete), Marthalen (Martele), Schöftland (Schöftle).
Die Verhochdeutschung verführt namentlich Ortsfremde leicht zu
falscher Aussprache von Lokalnamen, so dass bodenstandige Formen in Ver-
gessenheit geraten. Der Flussname Reuss ist z.B. in seiner mundartlichen
Form Rüss, die in den Kantonen Luzern, Aargau und Ziirich gang und gab ist,
in andern Teilen der Schweiz weniger bekannt. Ein Siedlungsname Kusen
wird von den Zugezogenen haufig nach dem Schriftbild, nicht nach der boden-
standigen Mundart (im Chuese) ausgesprochen. In Registern, Planen und Kar-
ten finden sich Namenformen wie Wite (wo Witi gesprochen wird), Reute,
Reuti (in der Ostschweiz), Scheur, ferner unschöne Verbindungen wie Scheuer-
hüsli, Mühlebachliein regelloses Durcheinander von der Mundart angepass-
ten, halb oder ganz verhochdeutschten Namen (Schibegütsch, Hdusli,
Teufelsküche).
Diese Missstande können nur behoben werden, wenn bestimmte Grund-
satze und Schreibregeln aufgestellt und befolgt werden. Diese Regeln bilden
notgedrungen einen Kompromiss zwischen schriftsprachlicher, traditioneller
und mundartlicher Schreibung und kommen in manchen Einzelheiten mehr
den praktischen Bedürfnissen und dem sprachlichen Taktgefühl entgegen als
wissenschaftlicher Folgerichtigkeit und strengen Prinzipien.
Grundsatze
i. Mit der Schreibweise der Lokalnamen ist die eindeutige und überein-
stimmende Bezeichnung der Örtlicbkeiten bei jedem schriftlichen Gebrauch
anzustreben; die Namen sollen leicht zu schreiben und zu lesen sein und von