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I. Die einfachen betonten Vohale und die Zwielaute
A. Gemeinschweizerdeutsche, nicht an bestimmte Mund-
arten gebundene und weit verbreitete Lauterscheinungen
werden durch die Schreibung zum Ausdruck gebracht (Grundsatz 4)
1. die schweizerdeutschen Langen i, u, (im Neuhochdeutschen zu ei, au,
aufeu diphthongiert)
a. Ifang, Ischlag, Siten, Spicher, Widen
b. Hus, Mur, Chrut, Musegg, Fulbach;
c. Rüti, Fürholz, Chrü-z, Schür;
2. die schweizerdeutschen Zwielaute ie, ue, tie (im Neuhochdeutschen zu
i, u, monophthongiert)
a. Fiechten, Liecht, Gries, Giessen, Ried/Riet;
b. Flue, Grueb, Guet, Hueb, Ruestel, Buech
c. FliXeli, Grüebli, Güetli, Chüeweid, Büel
3. schweizerdeutsch u (schriftdeutsch 0) in Fallen wie Sunnegg, Summer-
wald\ Sonnegg, Sommerwald sind nur dort zu schreiben, wo 0 gesprochen
wird, wie in Teilen der Kantone St. Gallen und Luzern;
4. schweizerdeutsch e (sog. Primarumlaut; schriftdeutsch a) in Fallen wie
Gletti, Gredi, Nessi, Herti, Schwerzi, Gfell, Stetten (nicht Glatti, nach dem
Vorbild von hochdeutsch Glatte)Glatti, Schwarzi usw. sind nur dort zu
schreiben, wo a gesprochen wird (vgl. ferner I. B. 4.)
5. schweizerdeutsch e (schriftdeutsch wo e ursprünglich ist und der Aus-
sprache entspricht, wie in HellmattlHeld, Gwelb.
B. Von regional beschrankten Lauterscheinungen werden be-
riicksichtigt
1. die insbesondere in südlichen Mundarten verbreiteten Langen i, u,
vor Vokal (Hiatus) oder im Silbenauslaut, denen in nördlichen Mund
arten meist die jiingere Lautung ei, au, aufeu entspricht (Hiatusdiphthon-
gierung)
a. Wijer, Schijen (Wyer, Schyen)/Weier, Scheien, Fri-/Freibach;
b. Bu-/Bauacher, Su-/Sauweid;
c. Nü-/Neubruch, Sü-fSdugrueb, Ghnu-fChneubrachi
2. Varianten wie TieffifTü(ii)ffi/Teuffi)Teiffi
3. nicht umgelautete Formen (vor allem in Alpenmundarten)Mattli,
Alp(e)li, Dachli, Lochli, Ochsli;
4. mundartliche Varianten nach der Art von Berg/Barg, Grat/Grot (Grund
satz 3) in verdunkelten, durch bildlichen Gebrauch isolierten oder ohnehin
typisch schweizerdeutschen Wörtern:
a. Tager-/Tegermoos, SadeljSedel, Hundsndstl-nest, AbmjEbni, Salzlacki/
-lecki, LdttjLett, ZalglZelg (schriftdeutsch Zelge)
SchwammilSchwemmi, SchwandilSchwendi, Rangg/Rengg (siehe I. A. 4.);
b. Bromen/Bramen, Obet- Obig-)/AbethölzliBlosen-jBlasenberg, Stof el/
Staf elanalog Stöfeli/Stafeli.
Nicht berücksichtigt werden in der Regel die verschiedenen Varianten der
Zwielaute ei/cii/ai, au/ou, aü/öü/öiebenso werden Entrundungen und andere
lokale Sonderentwicklungen im allgemeinen bei der Schreibung übergangen;
sie werden nur in Wörtern ohne Entsprecbung in der Schriftsprache und dort,
wo die der Ortsmundart fremde Form storend wirkt, zum Ausdruck ge
bracht (kantonale Schreibregeln)
C. Besondere Schreibregeln
1. Die Bezeichnung der Lange. Die Lange eines Vokals wird im all
gemeinen nur dort bezeichnet, wo es für die irrtumsfreie Verstandigung er-
wünscht ist (Grundsatz 1), ferner in einsilbigen, auf Vokal ausgehenden
Wörtern und, soweit angebracht, in Fallen, wo die Vokallange auch in der
Schriftsprache bezeichnet wird. Sie wird in der Regel durch Doppelschreibung
des Vokals ausgedrückt (bei langem i nötigenfalls durch y)durch h nur
dann, wenn die Schreibform ohnehin einem schriftdeutschen Vorbild genau
éntspricht