karten verzichtete. Die Entwicklung des Katasters in Norddeutsch- land hat Otto von Gruber einmal kurz und treffend mit den Worten gekennzeichnet„Am Anfang stand das Zahlen und am Ende steht die Zahl". Nach dem Ende des ersten Weltkrieges setzte sich zwar mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass das Kataster nicht nur ein Steuer- und Eigentumskataster sein darf, sondern dass es in gleicher Weise die Bedürfnisse der Wirtschaft, z.B. der Eisenbahn-, Strassen- und Wasserbauverwaltungen, befriedigen und die Grundlage fiir Planungsarbeiten aller Art abgeben sollte. Der preussische Staat sah diese Aufgaben jedoch nicht als besonders wichtig oder vordringlich an; er erliess zwar Vorschriften über eine allmahliche Erneuerung des Katasters, steilte aber keinerlei Sondermittel dafiir zur Ver- fügung. Praktisch ist das, was überhaupt zu jener Zeit geschah, um aus dem vorhandenen Kataster ein brauchbares Mehrzweck- kataster zu machen, mehr dem persönlichen Einsatz aktiver und einsichtiger Fachleute zu verdanken als den Massnahmen der Staatsführung. Der spatere, hochverdiente Leiter des deutschen Vermessungswesens im Reichsministerium des Innern, Dr. Pfitzer, hat im Jahr 1929 einmal gesagt, beim Erwagen dessen, was getan worden sei, um das Katasterwerk zu verbessern und seine allgemeine Brauchbarkeit zu heben, kame einem die fromme Mahnung pietis- tischer Erbauungsbücher des 18. Jahrhunderts in den Sinn: „Hier lasse die christliche Seele einen Seufzer fahren". Wahrend in den süddeutschen Landem etwas günstigere Verhaltnisse vorlagen, bot das Kataster in Norddeutschland beim deutschen Zusammen- bruch 1945 für den grössten Teil der Flache das folgende Bild: Ganzlich veraltete, nicht entwicklungsfahige und infolge zahl- reicher Fortführungen manchmal kaum noch lesbare Karten und ein ungeheueres Zahlenmaterial aus zusammenhanglosen Fort- führungsmessungen. Das Katasterwerk war als Besteuerungsgrund- lage geeignet und zur Eigentumssicherung zwar mangelhaft, aber doch recht und schlecht brauchbardie Rechtssicherheit im Grund- stücksverkehr ist jedenfalls durch den Zustand des Katasters nie- mals ernstlich gefahrdet gewesen. Für die Belange der Wirtschaft und für Planungsaufgaben war die Masse der Katasterkarten j edoch ganzlich ungeeignet, weil ihnen das Koordinatennetz der Landes- vermessung fehlte, weil sie Inselkarten waren, weil die Massstabs- verhaltnisse und die Orientierungen der Karten wechselten und weil sie sich rein auf die Darstellung der Grundstücksgrenzen beschrank- ten, wahrend der Gebaude- und Topographienachweis ausserst lückenhaft war oder ganzlich fehlte. Der Wiederaufbau nach dem Zusammenbruch 1945 und die Pro- bleme, die sich aus der Verkleinerung des Lebensraumes und der Unterbringung von vielen Millionen Flüchtlingen ergaben, steilten auch die Vermessungsverwaltungen vor gewaltige Aufgaben. Sie haben diese Aufgaben mit grösster Initiative in Angriff genommen 228

Digitale Tijdschriftenarchief Stichting De Hollandse Cirkel en Geo Informatie Nederland

Tijdschrift voor Kadaster en Landmeetkunde (KenL) | 1961 | | pagina 38